BUND Kreisverband Schmalkalden-Meiningen

Thesen und Forderungen zum Ausbau der Windkraft in Südthüringen

Stellungnahme zum Dokument „Änderung des Landesentwicklungsprogramms Thüringen, Abschnitt 5.2 Energie“

Problemstellung

In Zukunft soll der Wärmesektor, die Mobilität und Kommunikation überwiegend durch elektrisch erzeugte Energie betrieben werden, die regenerativ bereitzustellen ist.

Prognosen, welche Energiemengen im Jahr 2050 dafür benötigt werden, sind seriös kaum zu erstellen. Es dürfte klar sein, dass es ein Mehrfaches der Menge sein wird, die 2023 zur Verfügung stand.

Windkraft spielt hierbei eine Schlüsselrolle, ist aber von allen regenerativen Quellen aus Sicht des Umweltschutzes, die mit den größten Nachteilen:

  • die gigantischen Ausmaße der Anlagen sprengen jede Maßstabgerechtigkeit im Umgang mit einer historisch gewachsenen Landschaft

  • zahlreiche teils stark bedrohte Tierarten erleiden als Schlagopfer große Verluste

  • in einer schon stark zerschnittenen und zersiedelten Landschaft werden immer mehr der letzten freien Naturräume zu Industriestandorten

  • die Konzentration auf Waldstandorte verstärkt den Prozess der Naturzerstörung

  • der massive Abbau von Umweltauflagen birgt die Gefahr, dass in Zukunft praktisch jeder vorgeschlagene Standort genehmigungsfähig wird

  • die pauschale politische Vorgabe des 2%-Ausbauzieles kann zu einer flächigen Verspargelung der Landschaft führen

Der gesamte Planungsraum Südthüringen ist überprägt mit den unterschiedlichsten Kategorien von Schutzgebieten:

  • Biosphärenreservat Thüringer Wald

  • Naturpark Thüringer Wald

  • Naturpark Thüringer Schiefergebirge

  • Naturmonument Grünes Band

  • Kulturlandschaftspark Werratal

  • Biosphärenreservat Rhön

  • Naturschutzgebiete

  • Vogelschutzgebiete

  • FFH-Gebiete

  • Landschaftsschutzgebiete
     

Im aktuellen Planungsprozess in der Region Süd sind über 40 (!) Windparkstandorte vorgesehen, wobei die Hochlagen des Thüringer Waldes und das Biosphärenreservat Rhön schon ausgespart sind. Die Planungsabsichten konzentrieren sich dadurch auf das Werratal mit den beidseitig flankierenden Hügelketten. Nahezu zwei Drittel der Standorte sollen Wald betreffen.

 

Grundsätzliche Fragestellungen

  • Ein pauschales prozentuales Ausbauziel der Windkraft ignoriert die geoökologische Differenzierung großer Landschaftsräume. Südthüringen mit seinen schönen Landschaften, welche in vielfältiger Weise für Fremdenverkehr und Erholung dienen, eignet sich nur bedingt zur Windkraftnutzung.

  • Niemand im politischen Raum spricht vom einst obersten Grundsatz, Energie einzusparen. Es sei darauf verwiesen, dass der Bund bei seinem windenergetischen Ausbauziel immer auch von einem hohem Einsparpotential ausgeht.

  • Alle Szenarien gehen aus von einem weiterhin ungebremsten Wirtschaftswachstum. Dies ist zwangsläufig verbunden mit einem weiteren Anstieg des Energie- und Ressourcenverbrauchs.

  • Eine nach wie vor auf reinen Konsum fixierte Gesellschaft ignoriert die planetare Notlage. Die Umstellung auf „grüne“ Technologien löst die Probleme nicht, sondern verlagert sie nur.

  • Die jetzt schon unübersehbaren Auswirkungen des Klimawandels, wie das katastrophale Waldsterben mit einem Verlust von einem Fünftel der Waldfläche Thüringens, führen nicht zu einem Umdenken. Nach wie vor subventioniert die Bundesregierung umweltschädliche Produktion und Dienstleistungen im Umfang von mehr als 60 Milliarden Euro jährlich.

  • Keine der maßgeblichen Parteien und Industrieverbände sind bereit, offen Suffizienz zu thematisieren.
     

Aussagen der Metastudie: Potentiale Vorranggebiete Wind von 2021

Schon beim Vergleich der Potentialabschätzung der Windhöffigkeit schneidet Südthüringen gegenüber den anderen 3 Planungsregionen deutlich schlechter ab. Ein Schwellenwert von 6,13 m/s wird nur auf 74% der Fläche erreicht, während dieser in den anderen Regionen auf nahezu 100% der Fläche erreicht wird.

Die Auswertung der hier zusammengefassten verschiedenen Studien macht deutlich, dass Südthüringen das geringste Flächenpotential für die Windenergienutzung aufweist.

Im Sinne der Landes- und Regionalplanung ist es deshalb nicht gerechtfertigt, zur Erreichung des Landeszieles pauschal jeweils 1% (geschweige 2%) der Fläche in jeder Planungsregion als Vorranggebiet Windenergie auszuweisen.

Bei einem Ausbauziel von 1% für Thüringen entfallen auf die Region Süd, je nachdem welche Prämissen angesetzt wurden, zwischen 0,47% und 0,61%. Dies verdeutlicht bereits sehr klar die erheblichen Unterschiede zwischen den Planungsregionen, wenn man fachliche Kriterien bei der Bewertung ansetzt.

Wird bei dieser Betrachtung die Waldnutzung ausgeschlossen, würde sich für Südthüringen die für WKA nutzbare Fläche auf 0,31% verringern.

 

Unsere Forderungen

 

  • Der Ansatz, dass Vorranggebiete für Windkraftnutzung raumplanerisch identifiziert und festgelegt werden, wird ausdrücklich begrüßt. Ein „Wildwuchs“ unter kommunaler Planungshoheit muss ausdrücklich verhindert werden.

  • Die Windkraftnutzung sollte dort stattfinden, wo außerhalb vom Wald die besten Windbedingungen herrschen. Das bedarf aber einer anderen planerischen Herangehensweise. Zunächst sollte ermittelt werden, wieviel Strom perspektivisch in der Region benötigt wird und wieviel davon die Windkraft unter Abwägung aller gesellschaftlichen Belange beisteuern kann. Unspezifische Flächen-Prozent-Ziele lehnen wir ab.

  • Die jetzt verwendete Systematik unter Einbeziehung von Tabuzonen und Abstandsradien führt dazu, dass die entlegensten und derzeit ruhigsten Bereiche (meistens Wald) ausgewählt werden. Oft handelt es sich um verkehrsarme unzerschnittene Räume (UZVR). Diese wertvollen Gebiete sollten als Tabuzonen in der Systematik des Auswahlprozesses mit hoher Priorität berücksichtigt werden.

  • Die Windkraftnutzung über Waldflächen wird von uns grundsätzlich abgelehnt. Dies betrifft auch temporäre Kahlschlagflächen, die mittelfristig wieder in Wald überführt werden. Als Ausnahme wäre Wald entlang von Autobahnen und ICE-Strecken denkbar.

  • Windräder sollten dort aufgestellt werden, wo die Landschaft durch Infrastrukturmaßnahmen vorbelastet ist. Dies gilt insbesondere für Autobahnen und ICE – Trassen.

  • Im derzeitigen Planungsprozess fällt der Artenschutz fast komplett hinten runter. Es wäre geboten, in einer vorläufigen Kulisse Kartierungen mit einheitlicher Methodik vorzunehmen (Beispiel Südlink von Niedersachsen bis Baden-Würtemberg). Anhand der Ergebnisse können die Gebiete mit dem größten Konfliktpotenzial zum Artenschutz ausgeschlossen werden. Wird der Artenschutz erst im Genehmigungsverfahren bei jeder einzelnen Anlage berücksichtigt, wird die Gefahr von Bauverzögerungen deutlich größer.

 

Fazit

Die Vorgabe im zweiten Entwurf des Landesentwicklungsprogramms, bis zum Jahre 2032 einen Flächenanteil von 2 Prozent der Region zu Wind-Vorranggebieten zu erklären, ist unverhältnismäßig und führt zu enormen Belastungen für Mensch und Umwelt. Auf diese Weise ist kein tragfähiger und der Bevölkerung zu vermittelnder Ausbau der Windenergie in der Planungsregion Süd möglich. Bisher sind 600 Hektar Vorranggebiete ausgewiesen, welche nicht ausgelastet sind. Die Zielstellung der Landesregierung, 8400 Hektar auszuweisen, bedeutet, dass die Flächen für Windenergienutzung auf das 14-fache anwachsen würden. Aus diesem Anlass teilen wir die Kritik der in der Planungsgemeinschaft Süd aktiven Landräte, dass diese Planungen so nicht umsetzbar sind.

 

Frank Henkel

Wigbert Schorcht