Meiningen. 1994 wurde der Zweckverband für Abfallwirtschaft Südwestthüringen gegründet. Der Suhler Oberbürgermeister Dr. Kummer wurde dessen Vorsitzender. Bereits 1995 lud das dem Oberbürgermeister unterstellte Umweltamt der Stadt Suhl zu einer Veranstaltung über „Thermische Abfallverwertung“ ein. Eine Riege von Experten warb wärmstens für die Technologie. Dem Moderator wurde in dieser Veranstaltung untersagt, das Wort „Müllverbrennung“ zu verwenden.
Dann war nach außen hin Schweigen. Schließlich hatte man zunächst eine Autobahn durch das Herz des Thüringer Waldes und durch das Territorium der Stadt Suhl genehmigungsfähig zu machen. Das gelang. Kaum einer ahnte, dass dies ganz nebenbei ein erheblicher Standortvorteil für künftigen Mülltourismus wurde.
Etwa seit 1998 ging der Zweckverband mit den Früchten seiner zwischenzeitlichen Arbeit an die Öffentlichkeit, nämlich der Argumentation für eine künftige zentrale Anlage zur thermischen „Verwertung“ von Restmüll in Südwestthüringen . Drei Standorte waren angedacht, aber einer nur war gemeint. An allen drei Orten regte sich Bürgerwiderstand. Der Verein „Ein besseres Müllkonzept für Südwestthüringen e.V.“ gründete sich unter maßgeblicher Mitwirkung von Birgit Henkel, der Geschäftsführerin der BUND-Kreisstelle. Die Zella-Mehliser Ärztin Ursula Schlütter wurde zur Vorsitzenden gewählt. Sie leitete die Aktionen des Vereins bis Ende 2001 und übergab dann den Staffelstab dem Suhler Psychologen Dr. Rainer Gunkel, ehe im Dezember 2005 die Suhler Lehrerin Petra Hardt das schwierige Amt übernahm. Der Widerstand wurde koordiniert. Experten von Alternativen zur Müllverbrennung wurden zu Bürgerforen eingeladen. Prof. Harry Rosin (Düsseldorf) kam 1999 nach Meiningen und 2002 nach Erfurt. Prof. Ottmar Wassermann (Kiel) referierte 2001 in Suhl. Ausstrahlung und Rückenhalt dieser beiden Experten machte viele hiesige Bürger zu Kennern der Materie und zu Kämpfern für einen besseren Umgang mit Abfällen.
Zunächst aber machte der Zweckverband mittels taktischer Kniffe den Standort Zella-Mehlis/Suhl fest. Sodann beschloss er gegen vehementen Widerstand in den eigenen Reihen die Kriterien für die Ausschreibung einer Müllverwertungsanlage.
Erwartungsgemäß gaben die Kriterien der Verbrennung freie Fahrt . Die CDU-Mehrheiten in allen Landkreisen sicherten die Macht in der Verbandsversammlung. Weder Vermeidung noch Recycling waren gefragt. Auf ein kritisches Gutachten des damaligen Suhler Umweltamtes wurde kurzweg mit Auflösung dieses Amtes reagiert. So konnte eine Anlage zur Müllverbrennung der Fa. Martin aus München im März 2003 das Rennen machen. Nun konzentrierte sich der Widerstand auf immer größer werdende Demonstrationen, unterfüttert durch Informationsabende mit weiteren Experten.
In Zella-Mehlis, dem Standort der MVA, solidarisierten sich 10 Vereine, so dass binnen kurzem der Zella-Mehliser Bürgerwiderstand die wichtigste Basis unserer Vereinsarbeit wurde. Die südthüringischen Bürger spendeten für die Finanzierung der Vereinsausgaben für Veranstaltungen, Anwälte und Experten über 30.000 €! Das Landesverwaltungsamt wurde mit 13.666 Menschen Einwendungen gegen den MVA-Bau überschüttet.
Zur Kommunalwahl 2004 verlor die CDU im Stadtkreis Suhl massiv an Stimmen, die verbrennungskritische Bürgerbewegung „Aktiv für Suhl“ hob von Null auf über 30% ab. Auch im Landkreis bekam die für Abfallverbrennung plädierende CDU von den Bürgern die Quittung und rutschte erheblich ab.
Der Erörterungstermin im August 2004 im Congress Centrum Suhl wurde zur Großveranstaltung. Unsere Experten setzten den Vertretern des Zweckverbandes sowie den Fachleuten des Landesverwaltungsamtes heftig zu und beherrschten von Dienstag bis Sonnabend die Szene vor bis zu tausend interessierten Zuhörern. Aber weder Fakten noch Bürgermehrheiten hinderten an der amtlichen Genehmigung, die der Stadt Zella-Mehlis zum 6.April 2005 erteilt wurde und den sofortigen Baubeginn ermöglichte. Auf vielen Ebenen legte der Widerstand noch einmal zu. Die Stadt Zella-Mehlis stellt sogar einen Eilantrag auf Baustopp an das Oberverwaltungsgericht Weimar, der nach öffentlicher Verhandlung zum 8.3.2006 abgelehnt wurde. So kam die Wahl von Dr. Triebel zum Suhler Oberbürgermeister im Sommer 2006 zu spät, um die Weichen in der lokalen Abfallpolitik neu zu stellen.
Mittlerweile gilt die Verbrennung von Abfall im großen Stil in Deutschland als normal. Nicht einmal die vom früheren Umweltminister Trittin angemahnte Vorsortierung vor Verbrennung wird noch diskutiert. Vielmehr subventioniert die EU Verbrennungsanlagen in Osteuropa, und Deutschland stieg auf zum „Müllstaubsauger Europas“ . Zwischen einer und zwei Millionen Tonnen Hausmüll – das entspricht einem Güterzug von 500 bis 1000 km Länge - werden hierzulande jährlich verbrannt. Die RABA (Restabfallbehandlungsanlage) Zella-Mehlis/Suhl ist kräftig dabei.
Kritische Stimmen können derzeit leicht abgetan werden, da sich die Umweltbelastungen erst langfristig bis zu gefährlichem Ausmaß steigern. Wir können auf keine verwertbaren Indizien für gesundheitliche Belastungen verweisen. Eine Grenzwertdiskussion hat sich nach Vorliegen der Werte für die Anlagen-Emission erübrigt, da wir die Werte nicht prüfen können. Veränderungen des Krankheitsgeschehens direkt auf Müllverbrennung zurückzuführen scheitert am finanziellen Aufwand spezieller seriöser Untersuchungen.
Chancen des Recycling werden vertan durch laxe EU-Auflagen. Entwürfe für ein Ende der Ära des fossilen Verbrennens verbleiben in den Schubladen. Kreislaufwirtschaft bleibt trotz des existenziell bedrohlichen Klimawandels Utopie. Widerstand zwecklos. Oder bedarf es doch nur eines entsprechenden Auslösers, damit er umso heftiger aufflammt?
Der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte das derzeitige Wirtschaftsmodell „einen globalen Selbstmordpakt“ . Die Technologie „Thermische Abfallverwertung“ ist wesentlicher Bestandteil dieses Paktes und damit eine überaus schlechte Neuerung im Umgang mit Abfall. Die Verbrennungswirtschaft, sei es in Südthüringen oder sei es global, hat aber lediglich einen Pyrrhussieg davongetragen. Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und Ressourcenverbrauch werden ein anderes, ein zukunftsfähiges Wirtschaften erzwingen.
Die ehemaligen Aktiven des Vereins „Ein besseres Müllkonzept für Südwestthüringen“ bedanken sich bei allen Unterstützern für Engagement, Großzügigkeit und Courage und bekunden für das Jahr 2017 die Vereinsauflösung.
Im Namen aller Vereinsmitglieder: Petra Hardt, Birgit Henkel, Klaus Gödecke, Peter Hornschuch, Matthias Richarz, Frank Rothämel, Dr. Wolfgang Mey, Horst Liebermann,
Dr. Rainer Gunkel