BUND Kreisverband Schmalkalden-Meiningen

BUNDLokal: Berichte aus der Region

29. März 2020

Eckhard Simon (1. von Links), 78 Jahre, Schmalkalden (Klicken für mehr Infos)

Ach du liebe Zeit

Ich habe Zeit. Keine Termine. Alles abgesagt. Ich habe jetzt Zeit, jede Menge Zeit. Darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich bin es gewohnt, nach dem Terminkalender jeden Tag wichtige Dinge zu erledigen. Im Verein, im Ausschuss, im Stadtrat, im BUND. Abends bin ich dann natürlich erledigt. Und jetzt habe ich plötzlich – Z e i t.

Ich schlafe morgens länger , nehme mir Zeit für das Frühstück, die ZEITung. Doch immer habe ich noch Zeit. Langsam wird mir die Zeit unheimlich, bedrohlich. Das Gefühl der Sinnlosigkeit beschleicht mich. Wozu bin ich überhaupt noch da?

Ich versuche, die Zeit totzuschlagen. Doch das Fernsehen ödet mich an. Ich surfe mit dem Smartphone im Internet. So viel Mist und nichts, was mich wirklich interessiert. Ich ärgere mich. Und immer noch ist sie da, diese Zeit.

Ich beschließe, dann mal nichts zu machen, einfach mal gar nichts. Das ist gar nicht so leicht. Die Gedanken rasen trotzdem weiter, hüpfen unkontrollierbar von einer Sache zur anderen. Gar nichts machen, gar nichts denken, gar nichts wollen. Einfach nur da sein. Zur Ruhe kommen.

Ruhe zulassen, langsam durchatmen. Zeit positiv erleben als Raum, um Neues zu entdecken. Gut dass ich jetzt Zeit habe!

Da liegt Papier, da liegt ein Stift: „Ach du liebe Zeit.“

Falsche Richtung

Ein Mann und eine Frau sitzen im Zug, in einem Abteil 1. Klasse. Der Zug fährt rasend schnell. Die Landschaft saust nur so vorbei. Der Mann und die Frau wollen an ihr Ziel. So wie alle Fahrgäste. Alle wollen an ihr Ziel. Doch der Zug fährt in die falsche Richtung. Der Mann und die Frau wissen das. Doch es scheint sie nicht zu interessieren. Beide machen einen gebildeten Eindruck. Beide sind schick gekleidet und der Schmuck weist sie als wohlhabend aus. Als der Schaffner kommt, zeigen sie den QR-Code auf ihrem Smartphone. Dann sagt der Schaffner in höflichem Ton: Meine Dame, mein Herr, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie in die falsche Richtung fahren. Schon gut, meint der Mann.  Sparen Sie sich Ihre Belehrung, erwidert die Frau. Kopfschüttelnd verschwindet der Schaffner im nächsten Abteil. Überall dasselbe. Nur ganz wenige sind am letzten Bahnhof ausgestiegen. Der Zug nimmt wieder Fahrt auf, noch schneller als vorher. Einigen Fahrgästen wird es langsam unheimlich. Sie fangen an zu diskutieren, kommen aber zu keinem Schluss.

Plötzlich ein ungeheures Quietschen, Rasseln, Poltern und Rucken.

Ein Kind hat die Notbremse gezogen.

Eckhard Simon. Schmalkalden

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