35 Jahre BUND Thüringen
Grußwort auf der Landesversammlung zum 35-jährigen Jubiläum des BUND Thüringen am 10.5.2025
" Ich blicke zurück auf eine 35-jährige Tätigkeit im Landesvorstand des BUND Thüringen und möchte diese lange Zeit an dieser Stelle in drei Phasen Revue passieren lassen.
Die 90er Jahre waren geprägt von einer optimistischen Aufbruchstimmung und einer Grundhaltung, dass wir nach der Diktatur wichtige Dinge selber in die Hand nehmen und gestalten können. Dabei wurden wir von unseren Unterstützern des BN Bayern und BUND Hessen schnell eingenordet. Wir hatten verstanden, dass unsere Spielwiese nicht vordergründig der Trockenrasen oder die Nistkasten strecke sein wird, sondern wir uns gegen die großen naturzerstörenden Projekte im Namen der Deutschen Einheit stellen müssen. Ich denke da an die Autobahnen A38, A71, A73, den ICE, die Talsperre Leibis und das PSW Goldisthal. Wichtig für unsere Glaubwürdigkeit war damals auch immer die Vorlage von alternativen Lösungen und nicht nur ein kategorisches Nein. Bei der politischen Auseinandersetzung sind wir auch schon mal an die Grenzen unserer Möglichkeiten gegangen. Bei unserem Vergleich mit dem Energieriesen VEAG 1997 haben wir sogar den Verbandsfrieden hart strapaziert.
Aber mit den 7 Mio DM gelang uns andererseits auch ein Quantensprung in der Verbandsarbeit. Zum einen konnten wir uns nun eine Geschäftsstelle im Zentrum der Landeshauptstadt leisten, zum anderen gründeten wir die Stiftung David. Ich halte die Aktivitäten der Stiftung für einen Glücksfall für den Naturschutz im Osten.
Gleichzeitig haben in dieser Zeit unsere großen Identifikationsvorhaben, das Grüne Band sowie das Artenschutzprojekt Wildkatze, deutliche Konturen angenommen.
Die zweite Phase bezeichne ich als Phase der Zuversicht. Wir konnten ab dem neuen Jahrtausend zunehmend unsere Verbandsstrukturen stärken, die Mitgliederzahlen durch professionelle Werbung steigern und mehr Mitarbeiter einstellen, die sich mit ganz konkreten Naturschutzfragen befassen konnten. Dies wurde in erster Linie dadurch möglich, weil sich das gesellschaftliche Klima positiv entwickelt hat und die politischen Konstellationen in EU, Bund und Land dafür förderlich waren. Naturschutz war kein Randthema mehr sondern wurde auch durch staatliche Institutionen großzügig gefördert.
Wir haben in dieser Zeit dann auch mit dem Wildkatzendorf Hütscheroda 2012 unseren Leuchtturm gesetzt. In enger Zusammenarbeit mit der Nationalparkregion haben wir nicht nur ein Touristenmagnet geschaffen, sondern sind eingestiegen in den professionellen Artenschutz, der gerade mit der Wiederansiedlung des wunderbaren Raubtiers Luchs im Thüringer Wald seinen jüngsten Höhepunkt findet.
Das es in Thüringen jetzt 10 Natura-2000 Stationen gibt, geht nicht zuletzt auf die Initiative unseres Verbandes zurück. Die Expertisen des Kompetenzzentrums zur Betreuung der FFH-Gebietskulisse werden inzwischen von Fachleuten aus ganz Deutschland angenommen.
Trotz dieser zweifellos positiven Entwicklungen sind die Probleme aber nicht weniger geworden. So begleiten uns über Jahrzehnte solche Themen wie Gipsabbau im Südharz, Kali und Salz in Westthüringen, Massentierhaltung, Flächenverbrauch oder regionaler Straßenbau. Im Einzelfall kommen wir da aus unserer Sicht schon mal einen Schritt voran, oft geht’s aber auch gleich wieder zwei zurück.
Trotz einiger Rückschläge hatte ich aber in dieser Phase tatsächlich auch Zuversicht, dass die Weltgemeinschaft die ganz großen Fragen lösungsorientiert angeht. Ich denke da hauptsächlich an die Verabredungen der Rio-Konferenz, an die Artenschutzabommen und nicht zuletzt an die Pariser Klimakonferenz mit ihrem 1,5 Grad-Ziel. Denn was nützt uns die beste lokale Initiative, wenn es nicht gelingt unsere Biosphäre zu schützen.
Wir befinden uns aus meiner Sicht gerade in der Phase einer gewissen Ratlosigkeit. Die Demontage unserer Lebensgrundlagen ist in vollem Gange. Am Sterben unserer Wälder ist mir das in jüngster Zeit klarer geworden, als durch irgend ein anderes Ereignis. Anfang dieser Woche, am 3.Mai, hatten wir mit dem deutschen Erdüberlastungstag ein unrühmliches Datum. Wir haben bereits alle Ressourcen, die uns für 2025 zustehen, aufgebraucht. Anders ausgedrückt, Deutschland verheizt für seinen Wohlstand gerade 3 Planeten und steht auf Platz 3 der führenden Industrienationen dieser Welt. Aus der Politik hört man allerdings nur, dass die Wirtschaft am Boden liegt und wir unbedingt wieder Aufbruchstimmung brauchen. Ich frage mich, wohin wollen wir den aufbrechen, wenn wir die Grenzen der Nachhaltigkeit schon jetzt um das dreifache überziehen?
Die Thesen das Club of Rome aus den 70er Jahren von den Grenzen des Wachstums sind aktueller denn je. Wir stecken tief in einer Systemkrise und lassen uns einreden, dass wir nur die Energiewende brauchen und wir können weitermachen wie bisher. Das ist falsch. Auch die grüne Transformation ist mit erheblichen Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch verbunden. Für unsere Elektroautos und den verordneten digitalen Vollrausch werden gerade wieder die Rohstoffe der Länder des globalen Südens in bester kolonialer Manier ausgebeutet.
Diese grundsätzlichen Fragen berühren natürlich auch das Selbstverständnis des BUND als Anwalt der Natur. Bestimmte Entwicklungen im Rahmen der Energiewende begleiten wir meines Erachtens zu unkritisch. Warum können wir uns nicht einigen, Windkraft im Wald grundsätzlich abzulehnen. Eine der zentralen Forderungen im 50-jährigen Bestehen des BUND war immer, die noch halbwegs intakten Landschaften im zersiedelten Deutschland vor Eingriffen zu schützen. Trotz der Herausforderung des Klimawandels sollten wir daran festhalten. Es muss doch möglich sein, raumplanerische Lösungen für Windkraft zu finden, ohne den Wald mit einzubeziehen. Und wenn es Regionen gibt, wo ein pauschales Flächenziel für Windkraft nicht erreicht werden kann, dann ist es halt so. Sich dafür einzusetzen, würde unserer Glaubwürdigkeit sicher gut tun.
Wir haben so viele Möglichkeiten, uns klimagerecht zu verhalten. Um was es da im einzelnen geht, muss ich hier nicht ausführen, das weiß jeder. Es ist auch klar, dass in erster Linie die Menschen der Industrieländer durch ihren Verbrauch die Biosphäre in Schieflage bringen. Andererseits, und das ist so paradox wie irre, machen Politiker aller Parteien immer noch Freudentänze, wenn die Kauflaune der Bürger wieder mal ansteigt. Und das in einer Gesellschaft, die bereits im Konsum und in dessen Folge die Erde im Plastikmüll erstickt.
Albert Einstein hat mal gesagt, dass man Probleme nicht mit den selben Konzepten lösen kann, mit denen sie entstanden sind. Das könnte für uns Engagierte im BUND auch ein Leitsatz für die Zukunft sein. Die Gesellschaft braucht Menschen, die bereit sind, andere Wege zu gehen als die, die uns täglich in den Medien, in der Werbung und in den Konsumtempeln als unvermeidlich angepriesen werden.
Der BUND Thüringen steht 35 Jahre nach seiner Gründung vor großen Herausforderungen, auch weil das politische Klima gerade im Osten sehr nach rechts driftet. Um so wichtiger wäre es für uns, noch mehr Mitglieder zu finden, damit wir auch finanziell vom Wohlwollen der Politik unabhängiger werden.
Abschließend möchte ich es aber nicht versäumen, allen Frauen und Männern meinen herzlichen Dank auszusprechen, die in welcher Rolle auch immer dazu beigetragen haben, hauptamtlich aber überwiegend auch ehrenamtlich, den BUND in Thüringen zu einer fast allseits anerkannten Organisation zu machen. Und ihr habt das gemacht, ohne zu fragen, was ihr dafür bekommt, sondern in erster Linie habt ihr etwas gegeben, und das ist das entscheidende!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Frank Henkel "